Du ziehst durch mein Leben wie ein spiegelnder Fluss

Du ziehst durch mein Leben wie ein spiegelnder Fluss,
trägst Berge davon mit silbernem Fuß.
Wie der Herbsttag durchsichtig erhellst du die Welt;
Du bist zart wie ein Blatt, das im Frost hinfällt,
kostbar vom Geblüt wie die Blume des Wein,
das Land, das dich trägt, wird ein Edelstein.

Autor:Max Dauthendey

Du und ich! Wunschlose Seligkeit strömt deine Nähe über mich

Du und ich!
Wunschlose Seligkeit strömt deine Nähe über mich.
Der Alltag wird zur Sonntagszeit,
unsterblich schlingt das Leben sich um uns.
Und Menschengöttlichkeit fühl’ ich bei dir durch dich.
Was einst gewesen, weiß ich kaum.
Die enge Welt wird weiter Raum.
Und Holz wird Eisen, Eisen Holz
und Stolz wird Demut, Demut Stolz.
Gar wunderbare Weisen singt dann bei seinem Kreisen
mein Blut im Paradies für mich.
Es haben alle Wünsche Ruh’,
ich weiß nicht mehr, wer bist dann du.
Ich weiß nicht mehr, wer bin dann ich.

Autor:Max Dauthendey

Ohne Liebe lebe, wer da kann

Ohne Liebe lebe, wer da kann.
Wenn er auch ein Mensch schon bliebe,
bleibt er doch kein Mann.
Süße Liebe, mach‘ mein Leben süß!
Stille nie die regen Triebe, sonder Hindernis.
Schmachten lassen sei der Schönen Pflicht!
Nur uns ewig schmachten lassen,
dieses sei sie nicht.

Autor:Gotthold Ephraim Lessing

Möcht‘ mich als Staub vor die Füße dir legen

Möcht‘ mich als Staub vor die Füße dir legen,
will dich bewegen wie die Winde das Laub,
wollt‘ Küsse dir geben, soviel Tropfen im Regen,
Liebe ist blind, doch du, Geliebte, bist taub.
Hätte ich Hände, soviel Blätter die Bäume,
sie alle sollten für dich nur sich regen,
für dich sterb ich stündlich im Lied meiner Träume
und kann mich selbst nur im Traum noch bewegen.

Autor:Max Dauthendey

O wie viel Leben, wie viel Zeit

O wie viel Leben, wie viel Zeit
hab‘ ich, als kaum beseelt, verloren,
eh‘ mich die Gunst der Zärtlichkeit
begeistert und für dich erkoren!
Nun mich dein süßer Kuss erfreut,
o nun belebt sich meine Zeit!
Nun bin ich erst geboren!

Autor:Friedrich von Hagedorn

Weil ich dich liebe

Weil ich dich liebe, bin ich des Nachts
so wild und flüsternd zu dir gekommen,
und dass du mich nimmer vergessen kannst,
hab ich deine Seele mitgenommen.
Sie ist nun bei mir und gehört mir ganz
im Guten und auch im Bösen.
Von meiner wilden, brennenden Liebe
kann dich kein Engel erlösen.

Autor:Hermann Hesse